Warum Scheich Ali rannte
Ein Gleichnis von IHM

Der arabische Scheich Ali saß am Schreibtisch in seinem prächtig ausgestatteten Büro. Es war der reinste Palast inmitten eines Gartens, wo im Schatten eines knorrigen Maulbeerbaumes Iris und Narzissen blühten. Der Scheich war ein reicher und mächtiger Mann. Vor ihm lagen Kontoauszüge und Hauptbücher und ein Terminkalender, und sein Sekretär schrieb eifrig.

Scheich Ali selbst schien in seine Bücher vertieft, doch dazwischen wanderte sein Blick immer wieder durch die Fenster nach draußen, wo ein kleiner Junge in den Ästen des Maulbeerbaumes herumkletterte. Mit seinen dunklen Augen, dem schwarzen Haar und den verwaschenen Jeans sah er aus wie viele andere Jungen in der Umgebung; aber dieser Junge, der da unten spielte, war Sadik, der einzige Sohn und Erbe des Scheichs, der Augapfel seines Vaters. Und weil er vor dem Fenster herumtobte, kam sein Vater an diesem Vormittag weniger schnell mit seiner Arbeit voran als gewöhnlich.

Scheich Ali blätterte nachdenklich in seinem Terminkalender. Am Abend erwartete er wichtige Gäste, und seine Frau hatte zu ihrer Familie reisen müssen, um bei einer Hochzeit dabeizusein.

Nun ja, das machte nichts. Schließlich hatte er eine Menge guter Diener. Er drückte auf den Klingelknopf, und ein Bote glitt geräuschlos herein.
»Schick mir Abdullah und den Koch!« sagte der Herr, und einen Augenblick später standen beide in ihren fleckenlosen Uniformen vor ihm.
»Abdullah, geh zum Markt und besorge alles, was für den Abend benötigt wird!«
Abdullah verneigte sich und zog sich zurück.
»Und du, bereite ein reichhaltiges Festmahl zu und lass es auftragen!« Der Koch nickte zustimmend und verschwand ebenfalls wieder.
»Schick mir den Gärtner!« befahl der Herr, und im Handumdrehen erschien dieser.
»Pflücke die saftigsten Früchte und die schönsten Blumen!« Strahlend verschwand der Gärtner wieder. Es machte ihm Freude, den Gästen vorzuführen, was für Herrlichkeiten in seinem Garten wuchsen.

Scheich Ali war zufrieden. Seine Diener würden alle nötigen Vorbereitungen für den Abend treffen. Nun konnte er sich wieder seinen Geschäften zuwenden.
Briefe mussten zugestellt und Besprechungen vorbereitet werden. Bei den Schafgehegen drohte eine Mauer einzustürzen, und der Chef des Bautrupps wurde herbeigerufen. Ein Dutzend andere Angelegenheiten mussten erledigt werden, und ein Dutzend Diener kümmerten sich stillschweigend darum. Der Scheich blieb an seinem Schreibtisch sitzen und nippte an seinem schwarzen Mokka. Er musste keinen Finger rühren, nur Aufträge erteilen.

Plötzlich ertönte im Garten ein lauter Schrei. Scheich Ali sprang von seinem Schreibtisch auf und rannte zum Fenster. Sein Sohn war ausgeglitten und vom Baum gefallen. Da lag er in einem Irisbeet und weinte herzerweichend.

Sein Vater drückte nicht auf den Klingelknopf. Er ließ auch keinen Diener zu sich rufen. Er rannte an dem diensthabenden Boten vorbei, die Treppe hinunter und an den Türhütern vorüber. Die standen mit offenem Mund da und starrten ihrem Herrn nach, wie er die Steinstufen hinab und den Gartenweg entlang rannte.
»Ich komme, Junge, ich komme!« rief er, und im nächsten Augenblick beugte er sich zu ihm hinunter, hob ihn vorsichtig auf und achtete sorgfältig darauf, dass der verstauchte Knöchel nirgendwo anschlug. Fest drückte er die lehmverschmierte kleine Gestalt an sich - was kümmerte ihn sein teurer Anzug! - und trug sie an den Türhütern vorbei, an dem diensthabenden Boten und dem Sekretär vorüber direkt in sein eigenes Schlafzimmer.

Paulus schreibt: »In Christus hat Gott selbst gehandelt«, und Jesus hat gesagt: »Wer mich sieht, sieht den Vater.«